«Trumponomics» und Teuerung vorerst auf Eis gelegt

Mittwoch, 5. Juli 2017 Autor Christophe BernardLesezeit: 3 Minuten

 

Donald Trumps erste 100 Tage im Amt waren von Aktivismus geprägt. Eine ähnliche Hektik legen auch Notenbanken an den Tag, die sich seit Jahr und Tag bemühen, die Wirtschaft mit Liquiditätsspritzen zu unterstützen.

Beides lässt eigentlich ein «Reflationsszenario» erwarten, also ein Umfeld mit steigenden Preisen und günstigen Konjunkturaussichten. Mittlerweile hat die neue US-Regierung indes viel von ihrem ursprünglichen Schwung verloren und der Ölpreis hat sich unerwartet verbilligt. Sowohl «Trumponomics» als auch Inflation sind somit vorerst auf Eis gelegt.

Gegen Ende des ersten Halbjahres 2017 ist es an der Zeit, die von uns im Dezember 2016 entworfenen Szenarien Revue passieren zu lassen. Unsere Prognosen beruhten auf der Annahme, dass Trump seine Vorhaben mehr oder minder würde umsetzen können. Dies hätte zu einer Reflation oder eben einer Stagflation geführt. Ersteres – unsere bevorzugte Option – wäre eingetreten, wenn die Steuersenkungen und die Infrastrukturprogramme das reale Wirtschaftswachstum befeuert hätten. Die zweite Entwicklung hätte sich bei handelspolitischer Abschottung und einer Beschränkung der Migration ergeben – zwei Kernthemen im Wahlkampf von Trump. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Politik und Wirtschaft scheinen diese beiden Szenarien mindestens für 2017 einen Grossteil ihrer Relevanz verloren zu haben.

 

Chaos im Weissen Haus

Vor sechs Monaten stimmten uns Donald Trumps Ideen eines ehrgeizigen Konjunkturprogramms für die US-Wirtschaft zuversichtlich (siehe Dezember-Ausgabe 2016 des Investors’ Outlook: Nach Brexit und Trump 2016: Was hält das Jahr 2017 für uns bereit?). Die neue Regierung hat jedoch in dieser Hinsicht ziemlich wenig erreicht. So kann sie ausser einer Absichtserklärung, die auf einer Seite Platz hat, keine Fortschritte bei den Steuersenkungen vorweisen. Ebensowenig sind Einzelheiten zum Infrastrukturprogramm bekannt.

Fairerweise muss man zugeben, dass die Regierungsmannschaft bei der Deregulierung erheblich vorangekommen ist, vor allem in den Bereichen Energie, Bauwesen und Versorgung. Demnächst wird auch die Bankenderegulierung in Angriff genommen. Diese Massnahmen und die Tatsache, dass Trump seinen handelsfeindlichen Äusserungen keine Taten folgen lässt, haben zu einer anhaltend guten Stimmung unter den kleineren Unternehmen beigetragen. Trotzdem haben wir unsere Prognose für das BIP-Wachstum der USA im Jahr 2017 von 2.5 Prozent (per Ende 2016) auf 2.2 Prozent gesenkt.

 

Inflation im Februar auf dem Höhepunkt

Vergangenen Dezember erwarteten wir einen Anstieg der US-Teuerung im Verlauf von 2017. Der Aufwärtstrend kam jedoch im Februar ins Stocken. Von einem Wert von 1.8 Prozent in jenem Monat sank die Kerninflation (ohne Nahrungsmittel- und Energiepreise) auf 1.4 Prozent im Mai. Trotz Vollbeschäftigung scheint das Lohnwachstum bei rund 2.5 Prozent gedeckelt (siehe Grafik 1). Ein abnehmender Preisdruck in Bereichen wie Bildung, Neu- und Gebrauchtwagen sowie Telekommunikationsdienstleistungen hat zu dieser Entwicklung beigetragen. Mittlerweile hat die Preisschwäche an den Rohstoffmärkten auf die Gesamtinflation durchgeschlagen. Doch nicht nur die US-Teuerung verharrt auf niedrigem Niveau. Weltweit verhindern der technologische Fortschritt und das globale Angebot an billigen Arbeitskräften einen Inflationsanstieg. Es versteht sich von selbst, dass unsere Prognose für die US-Inflation 2017 (3.2 Prozent per Ende 2016) sehr unwahrscheinlich geworden ist.


Grafik 1: USA: Haben Kerninflation und Lohnwachstum den Zenit überschritten?

Quelle: Bureau of Labor Statistics, Bureau of Economic Analysis, Thomson Reuters Datastream, Vontobel Asset Management

Was können wir im zweiten Halbjahr 2017 erwarten?

Eine synchrone globale Erholung mit geringem Inflationsdruck entspricht einem «Goldlöckchen»-Szenario: nicht zu heiss, nicht zu kalt. Dieses Umfeld dürfte bis zum Jahresende anhalten, und die soliden Unternehmensgewinne sowie die lockere Geldpolitik dürften die Finanzmärkte stützen.

Werfen wir noch kurz einen Blick auf die Situation in Europa. Es ist beruhigend zu sehen, dass sich die Lage nach der Brexit-Entscheidung Grossbritanniens entspannt hat und die gegen die Europäische Union gerichtete Welle des Populismus abgeebbt ist. Diese Entwicklung begann in den Niederlanden, wo die rechtspopulistische «Partei für die Freiheit» ein unter den Erwartungen liegendes Wahlergebnis erzielte. Darauf folgte der Sieg von Emmanuel Macron in den französischen Präsidentschaftswahlen, der mit einem explizit europafreundlichen Wahlprogramm angetreten war. Mittlerweile haben wir infolge der anhaltenden globalen Erholung und des gesunkenen systemischen Risikos unsere BIP-Prognose 2017 für die Eurozone von 1.6 Prozent (per Ende 2016) auf 1.8 Prozent erhöht.


Risikofaktoren: von Öl bis Geopolitik

Eine unerwartete Konjunkturabkühlung könnte zweifellos die Unternehmensgewinne in einer Zeit belasten, in der sich die Aktienbewertungen auf einem historisch hohen Niveau befinden. Als mögliche Auslöser kommen Fehler der chinesischen Führung oder verschärfte Spannungen auf der koreanischen Halbinsel in Frage. Zudem könnte ein möglicher Ölpreisverfall auf unter 40 US-Dollar die Aussichten für die Emittenten aus dem Energiesektor verdüstern, was wiederum die breiten Anleihenmärkte (siehe Grafik 2) in Mitleidenschaft ziehen dürfte. Zudem könnte eine Beschleunigung des Lohnwachstums in den Vereinigten Staaten zu einem unerwartet schnellen Anstieg des US-Leitzinses und somit einer Marktkorrektur führen. Beide Szenarien sind jedoch bis zum Jahresende höchst unwahrscheinlich.


Grafik 2: Hochzinsanleihen: Energiesegment für Ölpreisausschläge besonders anfällig

Quelle: Thomson Reuters Datastream, Vontobel Asset Management

Wie sind wir positioniert?

Wir halten an unserer neutralen Haltung für die Aktienmärkte fest und bevorzugen Banken sowie Unternehmen, die vom Wirtschaftswachstum profitieren. Zudem haben wir unsere Rohstoffengagements zurückgefahren. Grund hierfür ist, dass die mittelfristigen Ölpreisprognosen trotz der Förderkürzungen der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und Russlands infolge des anhaltenden Überangebots nach unten revidiert wurden. Wir sind in Unternehmensanleihen mit kurzen Laufzeiten und Lokalwährungsanleihen aus den Schwellenländern nach wie vor «übergewichtet», wenngleich weniger stark als bisher.


21.03.2023 15:20:30

 
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