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«Bei Schweizer Werten sollte man sich jetzt zyklisch positionieren»

12. Jan. 2017 | 4 Minuten zu lesen
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Ein Gespräch mit Panagiotis Spiliopoulos, Head of Research, Vontobel Investment Banking

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Wodurch zeichnen sich Schweizer Unternehmen aus?

Da muss man zwischen Large und Small / Mid Caps unterscheiden. Die großen, groß kapitalisierten Unternehmen sind vor allem global orientiert. Teils fällt ihr Umsatzanteil in der Schweiz sehr gering aus. Bei Nestlé sind es zum Beispiel nur 2 %. Weitere Beispiele sind LafargeHolcim, ABB und andere Schweizer Unternehmen, die stark von Makrotrends abhängen. Grundsätzlich unterscheiden sie sich nicht von den großen Playern in anderen Ländern. Wie ihre Konkurrenz in anderen Regionen sind sie auf einen reibungslosen Handel sowie auf Wachstum und Nachfrage in ihren Zielländern angewiesen.

Gibt es Nachteile?

Der nach wie vor starke Schweizer Franken stellt eine erhebliche Herausforderung dar. Dies vor allem bei den großen Unternehmen, die überproportional hohe Kosten in Schweizer Franken aufweisen, während der Umsatz im Ausland und somit in anderen Währungen generiert wird. Bei den kleineren Mittelständlern ist das Verhältnis zwischen Kostenbasis und Umsatzanteil sogar meist noch etwas ausgeprägter als bei den Großen. Je nach Sektor haben die kleineren Mid Caps auch einen größeren Umsatzanteil in Franken, teils bis zu 20 oder 30 %, was bei einer globalen Schwäche eher ein Vorteil ist.

Weshalb hat der Schweizer Leitindex im Jahr 2016 enttäuscht?

Der Swiss Market Index (SMI®) hat sich im Jahresverlauf negativ entwickelt. Dies aber nur, weil die »drei großen Defensiven« Nestlé, Novartis und Roche mit den höchsten Gewichten in den Leitindex einfließen und mit ihrer sehr schlechten Kursentwicklung die Gesamtperformance ins Minus zogen. Wenn man sich die anderen Schweizer Indizes wie SPI Extra®, SPI® oder SMIM® ansieht, wird man feststellen, dass sie die Schweizer Realität genauer widerspiegeln. Teils weisen sie gar eine positive Performance, Seitwärtsbewegung oder nur leicht negative Kursentwicklung auf. Warum? Weil das Gewinnwachstum für Small und Mid Caps 2016 deutlich besser war als für die Großen.

Was ist mit der Uhrenindustrie passiert?

Wir haben die Branche 2016 mit Vorsicht betrachtet, was sich als richtig herausstellte. Das Problem der Branche liegt darin, dass sie aus einer Phase starken Wachstums gekommen ist. Zum Teil war sie getrieben von der Nachfrage aus den Emerging Markets, insbesondere aus China und Hongkong. Die Anti-Korruptionskampagne in China vor ein paar Jahren hat der starken Dynamik aber den Garaus gemacht. Massiv gelitten haben die Schweizer Uhrenhersteller auch, weil andere wichtige Märkte eingebrochen sind: Osteuropa, insbesondere Russland, und der Mittlere Osten. Grund des Nachfragerückgangs dieser Regionen war unter anderem der starke Einbruch des Ölpreises.

Wie wird es mit der Branche weitergehen?

Der Nachfrageeinbruch hat zu anhaltend hohen Lagerbeständen von Uhren in den letzten zwei Jahren geführt. Der starke Wachstumsrückgang war und bleibt das Hauptproblem der Branche. Zwar erkennt man in bestimmten Märkten mittlerweile eine gewisse Normalisierung, doch die hohen Lager sind in Südostasien nach wie vor ein Thema. Der Negativtrend wird sich fortsetzen – wenn auch nicht mehr so stark. Wir glauben, dass sich die Industrie am oder zumindest nahe dem Ende ihrer Durststrecke befindet. Unser Branchenfavorit ist Richemont, auf den sich die Entwicklung weniger negativ ausgewirkt hat. Außerdem ist er im Schmuckgeschäft sehr stark aufgestellt; die Aktie zeigt Aufwärtspotenzial.

Wie geht es den Schweizer Banken?

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Die beiden Großen UBS und Credit Suisse zum Beispiel durchlaufen ganz unterschiedliche Entwicklungen. UBS hat ihre »Hausaufgaben« früh erledigt: Ein entsprechend dickes Kapitalpolster ist nun aufgebaut und ein anderes Geschäftsmodell implementiert. Letzteres hat sich 2016 gut bewährt – in herausfordernden Zeiten. UBS dürfte weiterhin besser positioniert sein als ihre Konkurrentin Credit Suisse, sowohl in Bezug auf die Kapitalisierung als auch im Hinblick auf ein höheres Gewicht der Vermögensverwaltung. Sie gilt zudem als verlässlicher Dividendenzahler; ihr Titel ist unser klarer Branchenfavorit. Bei Credit Suisse stellen sich immer noch Fragen nach der Kapitalisierung und dem »richtigen« zukünftigen Geschäftsmodell. Langfristige Ziele mussten mehrmals nach unten korrigiert werden. Was beide Grossbanken nach wie vor mit sich tragen, ist ein Rucksack voller Gerichtsfälle, die ungelöst sind und wahrscheinlich zu hohen Bussen führen. Relativ hohe Summen dürften jedoch schon dafür zurückgestellt worden sein.

Eidgenössische Aktienbewertungen scheinen historisch hoch. Ein Alarmsignal?

In der Tat scheint es so. Die klassischen Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) befinden sich derzeit über dem historischen Schnitt. Dies ist an sich noch kein Alarmsignal. Zumindest so lange nicht, wie keine massive Änderung des Zinsumfelds eintritt. Tiefe Zinsen haben automatisch höhere KGV zur Folge. Alarmierend wäre, wenn sich der Trend zu höheren Renditen, wie wir ihn in den letzten Monaten gesehen haben, fortsetzt oder sich sogar beschleunigt. Dies wäre aber ein Alarmsignal für Aktien im Allgemeinen, insbesondere für Titel mit einem hohen KGV.

Die «drei grossen Defensiven» sind für viele Investoren ein Muss. Sollte man sie kaufen?

Wir glauben 2017 weiterhin an die Dividenden- Story. Und wir sagen Ja zu Roche. Warum? Weil wir glauben, dass Roche über ein sehr interessantes Geschäftsportfolio verfügt und eine sehr attraktive Pipeline aufweist. Dies nicht nur im Hinblick auf Krebsmedikamente. Es stehen auch sehr wichtige Studienresultate an. Ja sagen wir auch zu Nestlé. Der Kurs der Aktie scheint attraktiv. Doch sollte man keine zu rasche Erholung erwarten und sie als eher langfristiges Investment betrachten. Nestlés Herausforderungen in vielen aufstrebenden Märkten sind weiterhin substanziell und der stärkere US-Dollar ist keine Hilfe für entsprechende Währungen. Nein sagen wir übrigens zu Novartis; bezüglich des Titels bleiben wir vorsichtig. Der Pharmariese hat einige Herausforderungen zu bewältigen. Bestimmte Medikamente hätten schon zum Blockbuster werden sollen, und dann ist da noch die schwächelnde Augenheilsparte Alcon.

Auf welche weiteren Titel sollte man achten?

Vor allem auf solche, die das zyklische Element in stärkerem Maße abbilden. Dazu gehören der weltweit tätige Sanitärkonzern Geberit oder der größte Baustoffhersteller der Welt, LafargeHolcim. Die beiden weisen ausserdem das Potenzial auf, aus eigener Kraft für Gewinnwachstum zu sorgen – sofern sie die laufenden Integrationen im gehabten Tempo weiterführen. Geberit hat beispielsweise Sanitec nach der Akquisition rasch integriert und kann jetzt viele Synergien nutzen. Bei LafargeHolcim gibt es zwar noch einiges zu tun, doch wenn alles Anstehende umgesetzt ist, besteht eine gute Chance, auch ohne Rückenwind aus dem Makroumfeld ein zweistelliges Gewinnwachstum zu erzielen.

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